Leserbrief zu „Heimischer Strom reicht nicht„, NOZ v. 16.1.2012
Wenn handfeste Kapitalinteressen im Spiel sind, muss die Objektivität auch schon mal zurückstecken. Zu der Behauptung der zitierten Deutsche-Bank-Studie „Deutschland wird Netto-Stromimporteur“ gibt es genau gegenteilige Aussagen aus verlässlicher Quelle.
So geht z.B. aus den Daten des Verbands der europäischen Übertragungsnetzbetreiber zweifelsfrei hervor, dass Deutschland 2011 mehr Strom exportiert als importiert hat. Der Jahresexportüberschuss lag am 31. Dezember bei deutlich über 5 Milliarden Kilowattstunden. Die Kurve der Ex- und Importe verlief 2011 im Wesentlichen innerhalb der Schwankungsbreite der vorigen Jahre. Lediglich als nach Abschaltung der sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke auch noch vier weitere im Mai 2011 in die Revision gingen, ergab sich ein kurzfristiger Mangel, der zu Netto-Importen führte.
http://thiemonagel.de/2011/05/moratorium-strom-import/
Der Anteil der Erneuerbaren Energien am deutschen Strommix ist im Jahr 2011 auf rund 20 Prozent (nach rund 16,5 Prozent im Vorjahr) angestiegen. Windkraft, Sonne und Bioenergie legten spürbar zu; die Gesamtmenge an Ökostrom stieg gegenüber dem Vorjahr um rund 18 Milliarden Kilowattstunden. Da zugleich die Erzeugung von Atomstrom um etwa 32 Milliarden Kilowattstunden zurück ging (von 140 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2010 auf nunmehr etwa 108 Milliarden) blieb eine Lücke von 14 Milliarden Kilowattstunden zu füllen. Diese wurde fast komplett durch einen Rückgang des Exportüberschusses um etwa 12 Milliarden Kilowattstunden geschlossen. Die Erzeugung von Strom aus Kohle stieg zugleich kaum messbar von 263 auf 265 Milliarden Kilowattstunden – womit sich auch die Behauptung, Deutschland müsse mit dem Atomausstieg seine Klimaziele begraben, als falsch erwiesen hat.
Die Artikelüberschrift „Heimischer Strom reicht nicht“ ist nicht nur falsch, sondern sie schürt auch Ängste, die die dena (Deutsche Energie Agentur) uns schon seit Jahren einimpfen möchte. Die Lichter sind nicht ausgegangen und eine Stromlücke gab es auch nicht. Die dena wird übrigens zu 50% von den vier großen Stromkonzernen finanziert. Die deutschen Kapazitäten für Stromproduktion sind nach wie vor sehr hoch – auch im Mai 2011 lagen etliche der relativ umweltfreundlichen heimischen Gaskraftwerke noch still, weil es billiger war, Strom aus dem Ausland zu beziehen. Um diese Billigimporte in Zukunft zu verhindern, sollten wir so schnell wie möglich die Erneuerbaren Energien weiter steigern und die notwendige dezentrale Speichertechnologie schaffen.
Dr. Renate Vestner-Heise
Bohnenkampstr. 16
49082 Osnabrück