Leserbrief zu „Wo wird Erdkabel verlegt?“, NOZ v. 15.12.15
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Foto zu Ihrem Artikel ist ein Volltreffer. Es zeigt in schöner Übersicht, worauf es ankommt, und davor die Referenten, Fachleute allesamt, die aber zu der wichtigsten Frage nichts zu sagen wussten. Diese Frage lautet: Brauchen wir die Leitungen überhaupt?
Die Antwort ist ein klares Jein. Ja, teilweise, weil es das erklärte Ziel der Bundesregierung ist, in Zukunft einen Großteil unseres Stromes in der Nord- und Ostsee (offshore) zu erzeugen („da wo die Windanlagen keinen stören“). Und dann muss die Energie auf den neuen Stromautobahnen von Norden zu den Verbrauchszentren im Süden geleitet werden.
Und nein, weil inzwischen lange klar geworden ist: Die Offshore-Windanlagen werden gar nicht alle gebaut und auch nicht gebraucht. Denn die Verheißung der Windenergie auf See („doppelt so teuer, dreifacher Ertrag“) hat sich leider nicht bewahrheitet, eher umgekehrt: Sie ist wesentlich teurer und der Mehrertrag geringer. Und überall im Binnenland werden Windanlagen gebaut, weil es sich eben lohnt und der Windstrom auch im Binnenland eben nur etwa die Hälfte kostet verglichen mit Windstrom von der See. Und wenn die Bundesregierung eines Tages auch beim Ausbau der Solarenergiedie Handbremse wieder löst, kann dieser auch wieder voran schreiten, und zwar sogar schneller als geplant, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Also: Ein Teil der Nord-Süd-Fernleitungen wird wahrscheinlich obsolet, bevor er gebaut wird.
Die Karte auf dem Foto zeigt aber noch ein erstaunliches Phänomen, das uns nachdenken lassen sollte: Zwei der geplanten Stromautobahnen führen von Süden gar nicht nach Norden an die See, sondern direkt in die Bereiche Köln-Aachen und Leipzig-Dresden, also dorthin, wo heute die großen Braunkohlengebiete liegen, die auch noch ausgeweitet werden sollen, und die dazugehörigen Braunkohle-Großkraftwerke, zur Zeit unsere dreckigsten Stromerzeuger. Und die sollen ja bekanntlich noch lange laufen. Hier drängt sich unmittelbar der Verdacht auf, dass die Offshore-Windenergie als Argument herhalten soll (und später auch als Kostenträger) für neue Leitungen, die in Wirklichkeit der langfristigen Auslastung der Braunkohlekraftwerke dienen sollen.
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