Leserbrief zu „Stadtwerke loben Energiewende-Wende“, NOZ v. 30.1.14

Sehr geehrte Damen und Herren,
dass die Stadtwerke die Energiewende loben, das wollen wir doch hoffen, so grün, klimafreundlich und erneuerbar, wie sich die Stadtwerke immer geben, mit „KUK“ und „hier“ und den Eisbärenkindern Tips und Taps. Hier aber loben sie die Energiewende-Wende, und das liest sich schon ganz anders. Da lobt der Stadtwerke-Chef Manfred Hülsmann, „dass Gabriel Tempo macht“. Nichts gegen Tempo bei der Energiewende, aber was Gabriel mit hoher Geschwindigkeit vorhat, ist spätestens seit seinem Eckpunkte-Papier klar: Da wird der Ausbau der Photovoltaik in den Schleichgang abgebremst, die dezentrale Nutzung der Windenergie im Binnenland fast unmöglich gemacht, Biogas fast zum Sterben gebracht und nur Offshore-Wind weiter gefördert. Langsamer und kraftloser wird die Energiewende also mit Gabriel, und nur dort, wo die Erneuerbaren fest in der Hand der großen Konzerne sind, werden sie weiter großzügig gefördert: Bei der Windenergie auf See. Ein wichtiges Teilziel der Energiewende, nämlich unsere Versorgung aus der Faust der Konzerne wieder in die eigene Hand zu bekommen, wird so schon mal aus gebremst.

Gut, dass wenigstens die Stadtwerke noch uns gehören. Zu Recht beklagt Hülsmann groteske Verzerrungen: Dass die klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke jetzt mehr Strom erzeugen als fast je zuvor, hat wirklich nichts mit Klimaschutz zu tun. Aber genau so wenig hat es dem Klima genützt, dass noch Mitte des letzten Jahrzehnts die Stadtwerke vollmundig in zwei neue Kohlekraftwerke investiert haben. Dass jetzt eines von denen kräftig Minus und das zweite auch keinen Gewinn macht, davor wurde schon damals gewarnt, als dieses Engagement bekannt wurde. Schon damals schmückten sich die Stadtwerke mit allerlei grünen Sperenzchen, aber an die Energiewende hat dort keiner geglaubt. Jetzt ist also etwas Mut gefragt: Krokodilstränen abwischen,

Fehler zugeben, Kohlekraftwerks-Anteile und -Verluste abschreiben, nach vorn blicken. Investitionen in Energieerzeugung nur noch im regenerativen Bereich, hat Hülsmann versprochen. Wohlan denn, Solarstrom ist heute so billig wie nie zuvor und lohnt sich fast überall dort, wo Leute für ihren Strom Geld bezahlen. Eigenverbrauch heißt das Stichwort, und wer schlau ist, baut sich jetzt noch schnell eine Solarstromanlage, bevor Gabriel auch den Eigenerzeugern in die Tasche greift. (Den Eigenverbrauch der Kohlekraft- und Bergwerke will der Minister übrigens verschonen; so viel zu seinem Energiewende-Verständnis.)

Jetzt zu den Gaskraftwerken. Sie sind fossil, aber sauberer als Kohle, sie sind flexibel, und zur Zeit brauchen wir sie noch. Hülsmann möchte jetzt schon Geld nur dafür haben, dass sie da sind. Kapazitätsreserve nennt man das. Das hätten andere Kaufleute natürlich auch gern, dass ihnen ihr Lager oder ihr Kaufhaus von der Allgemeinheit bezahlt wird. Hier ist also Vorsicht angesagt, sonst greifen die Stromversorger uns wieder in bewährter Selbstbedienungs-Mentalität in unsere kollektive Tasche.

Gaskraftwerke sind auch nur eine Brücke auf dem Weg in die Energiewende. Experten haben unter dem Stichwort Kombikraftwerk eindrucksvoll gezeigt, dass die Regelenergie (welche die Schwankungen beim Sonnen- und Windangebot ausgleichen soll) billiger aus Blockheizkraftwerken und sehr gut auch regenerativ bereit gestellt werden kann: aus flexibel betriebenen Bioenergie-Kraftwerken, aus Kurzzeit-Speichern (Batterien) sowie aus Pumpspeicherwerken im In- und Ausland: Die riesigen norwegischen Wasserspeicher z.B. mitzunutzen (und dabei sogar noch zu entlasten) ist eine Option, die sich noch nicht bis in Regierungskreise herumgesprochen hat.

Also auf geht’s, Schluss mit dem Lamento und dem Kohlestrom, und weiter geht’s mit Erneuerbaren Energien, mit oder ohne Gabriel.

Klaus Kuhnke
Solarenergieverein Osnabrück (SEV) e.V.

 

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